Lebenslanges Wachsen durch Loslassen und Neubildung.
Schon bei den Kelten erinnerte das Hirschgeweih an den “Alten Hirsch” den grossen Hirschkönig. Gott Cernunos, wie er auch von den Kelten genannt wurde, dessen Geweih einer Krone oder einer gewaltigen Baumkrone gleicht, welche in den Himmel ragt und von dort Botschaften, Wissen und Macht der Anderwelten brachte.
Die Hirsche durchlaufen von Februar an jedes Jahr ein an die Jahreszeiten gebundenes Ritual, indem sie ihre Krone vor dem Höchsten nieder legen. Sie geben das Geweih an die Erde ab, ohne es behalten zu wollen.
Vor Jahren durfte ich einen Hirsch beobachten, während er sein Geweih ablegte. Ein tief berührendes und heiliges Geschehen, wenn der Hirsch würdevoll seine Hornstangen loslässt und sie auf die Erde legt. Es ist ein tiefer innerer Prozess, der absoluten Hingabe und des Loslassens. Anschliessend steht der Hirsch ohne Rangabzeichen da. Er hat seine Krone abgegeben.
Dieser innerliche und äusserliche Prozess des Hirschen, indem er all seinen Rang, alles was er in einem Jahr aus sich heraus an Geweihkrone und die damit verbundenen Kräfte und Fähigkeiten erschaffen hat, würdevoll an die Erde abgibt, macht tiefes Vertrauen und inneres Wissen sichtbar.
Schon bald nach dem Loslassen des Geweihes legt der Hirsch alle Kräfte in den neuen Wachstumsprozess, um ein noch grösseres und schöneres Geweih hervorzubringen. Er wächst jedes Jahr aufs Neue über sich hinaus.
Die anfangs noch verwundbare zarte Haut ist ein Zeichen des Todes. Daraus erwächst aus dem Skelett – aus dem Bestehenden – das neue junge Geweih.
Bereits im Herbst ist dieses Geweih noch edler, kraftvoller, grösser und reifer nachgewachsen. Das Geweih ist ein Ausdruck des inneren Wachstumsprozesses des Hirschen.
Nun wird der Bast, eine samtartig behaarte, stark durchblutete und berührungsempfindliche Haut, die das wachsende Geweih ernährt und schützt, abgestriffen.
Nachdem das Geweihwachstum beendet ist, wird die Blutzufuhr unterbrochen. Der dadurch austrocknende Bast wird durch Reiben und Schlagen an Büschen und Bäumen »gefegt«, bis die knöcherne Geweihstange kahl ist.
Die Botschaft der Verwandlung, welche der Hirsch jedes Jahr in die Welt bringt, ist ein grosses göttliches Geheimnis an den Menschen und für den Mensch von grosser Bedeutung.
Die Worte „sich die Erde untertan zu machen“ zeigt der Hirsch und vieles andere in der Natur in einem ganz anderen Licht. Es macht deutlich dass Worte wieder einmal veruntreut und „verwendet“ wurden und dass die Art und Weise wie sich heute die Erde untertan gemacht wird, indem sie ausgebeutet und nur von der Erde genommen wird, ein sehr grosser Irrtum ist.
„Sich die Erde untertan zu machen“ bedeutet von der Universität Erde und all ihrer Lebewesen, die Botschaften lesen zu lernen und zu erforschen und danach zu leben.
Der Hirsch ein Spiegelbild für den Mensch?
Will auch der Mensch sich weiter entwickeln und über sich hinaus wachsen, ist es zum Einen von grosser Bedeutung, auf das was Bestand hat (Skelett) zu bauen. Zum Anderen ist es unumgänglich, alles Alte sowie alle nicht förderlichen Verhaltensmuster abzulösen. Jedoch gilt es ebenso all das Erlernte, alle reichen Erfahrungen, Erkenntnisse und Erinnerungen frei, und ohne sie behalten zu wollen, hin zu schenken.
Dieses dankbare Hingeben oder Niederlegen von allem, gebührt Gott und Göttin, welche in jedem Menschen wohnen, denn nur durch sie wurde all das Erlernte, das Erfahrene sowie die Ur-Kunde überhaupt möglich.
Wenn alles wieder freilassend zurückgeschenkt wird, können die neuen kreativen Kräfte sich weiter entwickeln zu einer noch mächtigeren Krone.
Wer sich hingegen an die alten Formen klammert, zeigt damit, dass er die Schöpfungs-Prinzipien nicht begriffen hat. Er bildet sich ein, die äussere Form würde ihn erretten und schläft so selig auf seiner Form am lebendigen Leben vorbei.
Diejenigen dagegen, die sich nicht so sehr auf die alten Formen verlassen, sondern gerne stets über sich hinauswachsen – immer wieder neu – werden immer lichtvollere Ausdrucksformen hervorbringen und sich enorm entwickeln.